Montag, 28. September 2015
Die Will-Bleiben-Kultur und die Migrations-Migräne
Die vergangenen Landtagswahlen haben uns zwei Beispiele geliefert, wie es nicht geht. Vor Steiermark/Burgenland wurde eine Herausforderung, die nüchtern betrachtet durchaus beherrschbar war, durch politische Dummheit (Zelte aufstellen) als Riesenproblem wahrgenommen. Vor Ober-Donau, ähm, -Österreich wollte man das mittlerweile tatsächlich große Problem kleinreden. Man hat vereinzelte Fälle von Hilfsbereitschaft zu einer landesweiten Welle der Willkommenskultur hochgejazzt. Die gibt es nicht, die gab es nie, die wird es - als gelernter Österreicher - nicht geben. Es gibt vielmehr eine Will-Bleiben-Kultur: „Ich will so bleiben wie ich bin“. Die FPÖ sagt: "Du darfst!" und wird dafür gewählt.

Die Realität hat den Gutmenschen eingeholt. Obwohl er doch so sicher war, alles richtig zu machen. Denn rechtschaffen sein kommt bekanntlich von recht gschaftig sein. Und dafür gäbe es keinen besseren Anlass als die Flüchtlingskrise. Das ist der Humanismus, wo man einfach mit muss. Ein Nachstenliebe-Flashmob. Und man ist selbst auch deshalb so gut, weil die anderen alle SO böse sind. Den vermeintlich rechts-faschistoiden Pöbel anzupöbeln stärkt das Gefühl eigener Überlegenheit. Was Uber für Chauffeure ist, ist Facebook für Echauffeure. Dort findet das Wett-Entrüsten der Empör-Kömmlinge statt.

Leider ist man recht abgehoben und sitzt auf einem hohen Ross. Das "Proletariat" hat es halt nicht so leicht wie die Bobos. Deren hochqualifizierte Arbeitsplätze wird ihnen kein Syrer streitig machen. Neben ihre Innenbezirk-Lofts wird auch kein Flüchtling einziehen. Ihre Kinder sind in feinen Privatschulen untergebracht, nicht in öffentlichen Klassen, wo schon mal der Islam Mehrheits- und die deutsche Muttersprache Minderheitsprogramm ist. "Sollen sie doch Baklava essen!" ist ihre aristokratisch-überhebliche Antwort auf die Fremden-Ängste, die Migrations-Migräne der (wirtschaftlichen und intellektuellen) Unterschicht.

Den Nächsten liebt man halt lange nicht so sehr wie den Überübernächsten. Man sammelt lieber Punkte im Karma-Sparverein "Zur guten Tat" und verfährt eine Wagenladung Benzin um ein paar alte Socken in die Begegnungszone Traiskirchen zu bringen. Dabei trägt man stolz ein "Refugees Welcome" T-Shirt. Der Näherin aus Bangladesh, die es gemacht hat, geht es womöglich schlechter als einem Flüchtling in Traiskirchen. Ist aber egal, denn die steht nicht vor unserer Haustür und wir haben kein Kamerateam dort. Wenn das die Methode zur Allokation von Aufmerksamkeit und Zuwendung ist, müssen eben Millionen flüchten um ihre Probleme zu unseren zu machen.

Nachhaltigkeit und Effizienz - darum geht's nicht. Das ist Hurra-und-Hau-Ruck-Humanismus, ohne Analyse und Strategie. Später hat man ja, siehe oben, eh nichts mehr mit ihnen zu tun. Vielleicht besucht man mal den Themenabend "Syrischer Volkstanz für den Weltfrieden" und erfreut sich an der kulturellen Bereicherung. Ein Acherl Syrah auf die Syrer!

Symptomatisch für diese Abgehobenheit sind unsere lieben Grünen. Bei der Griechenland-Krise interessierte es sie hauptsächlich, ob es auf Lesbos weibliche Ampelpärchen gibt. Zur Lösung der Flüchtlingskrise fordert man, den Türkenschanzpark in "Refugees Welcome Park" umzubenennen. OK, beide Beispiele sind frei erfunden. Aber seien Sie ehrlich - Sie hätten es den Grünen zugetraut, oder? Andere sind nicht viel besser. "Wir schaffen das!" ist das "Mission accomplished!" der Angela Merkel. Man schafft es nicht, wie man schon wenige Tage später zugeben musste.

Aber Politiker-Aussagen und Medienberichte sind derzeit eben oft geschönt wie VW-Abgastests. Selten gibt es Platz für eine etwas andere Sichtweise ist. Ich bekam schon Lagerkoller im Umerziehungscamp. Wenn einem mit dem "Nürnberger Trichter für Humanismus" stets allzu naiver Zwangsoptimismus aufgedrängt wird, bekommt auch der Wohlmeinende irgendwann eine Stopfleber. Etwa wenn es immer heißt, dass die Zuwanderung das Pensionssystem retten wird - das ist die Argumentationslogik eines Pyramidenspiels. Oder dass angeblich eh nur die hochqualifizierte Mittelschicht kommt, um die sich der Arbeitsmarkt geradezu reißen wird. Diese Flüchtlinge sind so gut für uns - wenn nicht schon Krieg wäre, man müsste einen beginnen! Das wäre zumindest die Kernkompetenz von uns Österreichern und Deutschen.

Die Berichterstattung ist zumindest einseitig. Man bekommt Bilder von Helfern am Westbahnhof. Zyniker könnten meinen, das hat was von einem Zoo-Besuch: "Jö mei, sind die Exoten lieb!". Aber ja, den Leuten dort Bananen zu geben, ist eh lobenswert. Es gibt aber keine Kamerateams am Stammtisch im Dorfwirtshaus. Da ergeben sich beim Stichwort Banane vermutlich andere Assoziationsketten, die eher mit "zurück in den Urwald" enden.

Wie repräsentativ ist die kolportierte Welle der Mitmenschlichkeit also, und wie nachhaltig? Wie lange wird die "Refugee-Bucket-Challenge" der angesagte coole Hype bleiben? Wird uns der Flüchtlingsstrom alle zu besseren Menschen machen oder vielmehr die FPÖ auf Platz 1 einzementieren? Folgt dem Reiz des Neuen die Reizüberflutung durch das Ewiggestrige? OÖ läßt es befürchten.

Viele verweigeren jetzt schon die Charity-Mitarbeit, sozusagen als Suppenküchen-Kasper. Aber auch bei den derzeit Hochmotivierten folgt in der Praxis womöglich auf die Empathie bald die Apathie, wenn die Mühen der Ebene in der Integration kommen. Und schlußendlich die Antipathie, wenn diese Integration oft nicht funktionieren wird. Die linksliberale Schickeria macht Gabalier zum Kellernazi, weil er die gegenderte Bundeshymne verweigert, und aus Spindelegger einen Höhlenmenschen weil er statt Conchita Wurst dem "Künstler Tom Neuwirth" gratulierte. Beides verklemmt und spießig, aber um Jahrzehnte fortschrittlicher als die Ansichten der meisten Menschen, die ihr Gutmenschen hier so eifrig herbeisehnt. Man muss kein Nazi sein, um gewisse Werte verteidigen zu wollen. "Liberté - Egalité - Jagatee" - mit Letzterem tun sich Moslems halt schwer.

Im Jänner hat jeder, der was auf sich hält, "Je suis Charlie!" gepostet. Jetzt ist halt Willkommenskultur der Hashtag der Woche. Weil die Integration der Moslems, siehe Frankreich, ja europaweit eine Erfolgsgeschichte ist. Wer es wagt, hier eine gewisse Inkonsistenz zu vermuten, wird mit der Nazi-Keule erschlagen. Und ja, gegen die echten Faschisten muss man trotzdem weiter entschieden vorgehen. Viktor Orbans Ungarn, "Salamisten gegen Salafisten", ist nicht das Vorbild. Und auch nicht Strache und Kickl - ich möchte mir die Freude an der kommenden Wildsaison nicht durch "Halali statt Halal!"-Plakate vermiesen lassen.

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