Donnerstag, 21. Januar 2016
Ein Plädoyer für die Obergrenze
lucas broer, 19:49h
Der kategorische Imperativ von Immanuel Kant lautet in seiner Grundform: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Kann man die nun beschlossene Obergrenze danach beurteilen, ob es eine allgemeine tragfähige Lösung brächte, wenn sich alle anderen auch so verhielten? Ja. Der Maßstab sollte dabei nicht allein die Bevölkerungszahl sein, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit muss auch berücksichtigt werden. Beziehen wir uns daher lieber auf das BIP. Der österreichische Vorschlag, langfristig eine Grenze von 25000 Asylgewährungen pro Jahr anzustreben, bedeutet - grob - dass man pro 13 Millionen Euro erwirtschaftetes BIP einen Flüchtling pro Jahr aufnimmt. Auf alle 28 EU-Staaten umgelegt würde das mehr als eine Million Flüchtlinge pro Jahr bedeuten, auf alle OECD-Staaten hochgerechnet ca. 2,5 Millionen, auf die gesamte Welt gerechnet ca. 4 Millionen.
Das ist nüchtern betrachtet nicht die Lösung aller Probleme, aber doch ein signifikanter Beitrag und deutlich mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Man muss auch berücksichtigen, dass wir bereits viele aufgenommen haben und in den nächsten drei Jahren auch noch deutlich über dem Wert von 25000 liegen werden. Am österreichischen Wesen könnte die Welt also durchaus genesen. Wir sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Mehr kann man nicht verlangen. Wir können nicht alle Probleme der Welt im Alleingang lösen und nicht die Ausfallshaftung für andere, weniger großzügige Staaten übernehmen. Das ist weder faktisch möglich, noch moralisch geboten.
Nun zu etwas grundsätzlicheren Betrachtungen dazu, was ein Staat kann, soll und muss. Man hört ja jetzt oft: "Für Grundrechte darf es keine Obergrenze geben!". Klingt sympathisch und fast einleuchtend - außer man denkt ein bißchen darüber nach. Denn konsequent zu Ende gedacht müßten wir dann ja auch eine Million oder eine Milliarde Flüchtlinge aufnehmen - denn es darf ja keine Obergrenze geben! Diese "Logik" hält keinem Praxis- und Plausibilitätstest stand. Damit trägt man zu einer ernsthaften Diskussion nicht bei. Wem das Thema am Herzen liegt, kann ja gern für höhere Quoten, etwa 50000, kämpfen. Aber die Notwendigkeit einer Begrenzung grundsätzlich nicht anzuerkennen, ist Flucht vor der Realität und letztlich Diskussionsverweigerung, also undemokratisches Verhalten.
Dass man Menschen in Not, auch Fremden, helfen soll ist zu Recht ein staatliches Ziel - aber eines unter vielen, die alle Beachtung verdienen. Davon eines willkürlich herauszupicken und für absolut zu erklären, dem sich daher alle anderen unterzuordnen haben, ist in seiner Essenz totalitär. Bei Demokratie geht es um den Ausgleich von Interessen, um die Mediation von Zielkonflikten. Auch die österreichische Bevölkerung hat legitime Interessen, wirtschaftliche und sicherheitspolitische. Eine Begrenzung sei nicht "per se unethisch", argumentierte der deutsche Bundespräsidenten Joachim Gauck. Sie könne "moralisch und politisch sogar geboten sein, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten".
Das Recht des einen endet dort, wo das des anderen bedroht wird. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist elementar, trotzdem gibt es Grenzen (Verhetzung). Die Versammlungsfreiheit ist wichtig, aber ohne Grenzen zu setzen und durchzusetzen endet sie wie die Love Parade in Duisburg mit Toten und Verletzten. Das Demonstrationsrecht ist grundsätzlich unumstritten - trotzdem werden regelmäßig Demonstrationen mit Polizeigewalt aufgelöst, wenn die Situation eskaliert. Nur das Asylrecht darf man als einziges nie und nimmer beschränken, auch wenn die Situation eskaliert?
Der Staat setzt regelmäßig Grenzen, das ist völlig normal und seine Aufgabe. Als man die Studienplatzbeschränkungen einführte, hat Armin Wolf auch nicht bedeutungsschwanger gefragt: "Und was machen Sie mit dem 1001sten Studenten? Stacheldraht an der Uni? Schießbefehl für Professoren?" Wenn der Staat eine Grenze setzt, darf er verlangen, dass sie eingehalten wird, auch von Ausländern. Aber er muss sie kontrollieren und im Ernstfall auch entschieden durchsetzen, sonst verliert er seine Glaubwürdigkeit und Daseinsberechtigung.
In der österreichischen Verfassung steht auch, dass alle Menschen gleich sind. Ist das in der Praxis so? Natürlich nicht. Von vererbten Bildungschancen bis zum Gender Pay Gap, von fehlenden Adoptionsmöglichkeiten für Homosexuelle bis nicht barrierefreien Geschäftslokalen für Rollstuhlfahrer. Das heißt aber weder, dass dieses Ziel falsch ist, noch dass wir es bereits aufgegeben haben. Es zeigt aber, dass man so hehre Ziele nie vollständig "erreicht", schon gar nicht über Nacht, sondern sich ihnen nur annähern kann. In Trippelschritten, oft mit Umwegen, mit Kompromissen, Not- und Zwischenlösungen. Politik ist eben laut Max Weber das Bohren dicker Bretter. Politik bedeutet hingegen nicht, wie eine Teleshopping-Verkäuferin "Wir schaffen das!" zu flöten, wenn man weder genug Bretter noch genug Bohrer dafür hat.
Auch das Asylrecht muss man so sehen: als grundsätzlich erstrebenswertes Ziel, als Leuchtturm, der den richtigen Weg weist. Aber auf der Reise dahin muss man auf die Umstände und Rahmenbedingungen achten, und darf die Menschen nicht überfordern. Ein Hilfsbereiter, der sich einen Bruch hebt oder einen Burnout erleidet, kann auf lange Sicht weniger leisten als jemand, der sich seine Kräfte von vornherein vernünftig einteilt. Die "Gutmenschen" (kategorischer Pejorativ?) können in ihrer Naivität, ihrer Hysterie und ihrem Dogmatismus unsäglich nerven. Aber wenn man ihre Energien mit ein wenig Realitäts- und Machbarkeitssinn bündelt und kanalisiert, kann aus guten Absichten vielleicht tatsächlich etwas Gutes werden - anstatt reines Chaos. Gauck: "Gerade weil wir möglichst vielen Schutz bieten wollen, werden wir – so problematisch, ja, tragisch es sein kann – nicht alle aufnehmen können."
Das ist nüchtern betrachtet nicht die Lösung aller Probleme, aber doch ein signifikanter Beitrag und deutlich mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Man muss auch berücksichtigen, dass wir bereits viele aufgenommen haben und in den nächsten drei Jahren auch noch deutlich über dem Wert von 25000 liegen werden. Am österreichischen Wesen könnte die Welt also durchaus genesen. Wir sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Mehr kann man nicht verlangen. Wir können nicht alle Probleme der Welt im Alleingang lösen und nicht die Ausfallshaftung für andere, weniger großzügige Staaten übernehmen. Das ist weder faktisch möglich, noch moralisch geboten.
Nun zu etwas grundsätzlicheren Betrachtungen dazu, was ein Staat kann, soll und muss. Man hört ja jetzt oft: "Für Grundrechte darf es keine Obergrenze geben!". Klingt sympathisch und fast einleuchtend - außer man denkt ein bißchen darüber nach. Denn konsequent zu Ende gedacht müßten wir dann ja auch eine Million oder eine Milliarde Flüchtlinge aufnehmen - denn es darf ja keine Obergrenze geben! Diese "Logik" hält keinem Praxis- und Plausibilitätstest stand. Damit trägt man zu einer ernsthaften Diskussion nicht bei. Wem das Thema am Herzen liegt, kann ja gern für höhere Quoten, etwa 50000, kämpfen. Aber die Notwendigkeit einer Begrenzung grundsätzlich nicht anzuerkennen, ist Flucht vor der Realität und letztlich Diskussionsverweigerung, also undemokratisches Verhalten.
Dass man Menschen in Not, auch Fremden, helfen soll ist zu Recht ein staatliches Ziel - aber eines unter vielen, die alle Beachtung verdienen. Davon eines willkürlich herauszupicken und für absolut zu erklären, dem sich daher alle anderen unterzuordnen haben, ist in seiner Essenz totalitär. Bei Demokratie geht es um den Ausgleich von Interessen, um die Mediation von Zielkonflikten. Auch die österreichische Bevölkerung hat legitime Interessen, wirtschaftliche und sicherheitspolitische. Eine Begrenzung sei nicht "per se unethisch", argumentierte der deutsche Bundespräsidenten Joachim Gauck. Sie könne "moralisch und politisch sogar geboten sein, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten".
Das Recht des einen endet dort, wo das des anderen bedroht wird. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist elementar, trotzdem gibt es Grenzen (Verhetzung). Die Versammlungsfreiheit ist wichtig, aber ohne Grenzen zu setzen und durchzusetzen endet sie wie die Love Parade in Duisburg mit Toten und Verletzten. Das Demonstrationsrecht ist grundsätzlich unumstritten - trotzdem werden regelmäßig Demonstrationen mit Polizeigewalt aufgelöst, wenn die Situation eskaliert. Nur das Asylrecht darf man als einziges nie und nimmer beschränken, auch wenn die Situation eskaliert?
Der Staat setzt regelmäßig Grenzen, das ist völlig normal und seine Aufgabe. Als man die Studienplatzbeschränkungen einführte, hat Armin Wolf auch nicht bedeutungsschwanger gefragt: "Und was machen Sie mit dem 1001sten Studenten? Stacheldraht an der Uni? Schießbefehl für Professoren?" Wenn der Staat eine Grenze setzt, darf er verlangen, dass sie eingehalten wird, auch von Ausländern. Aber er muss sie kontrollieren und im Ernstfall auch entschieden durchsetzen, sonst verliert er seine Glaubwürdigkeit und Daseinsberechtigung.
In der österreichischen Verfassung steht auch, dass alle Menschen gleich sind. Ist das in der Praxis so? Natürlich nicht. Von vererbten Bildungschancen bis zum Gender Pay Gap, von fehlenden Adoptionsmöglichkeiten für Homosexuelle bis nicht barrierefreien Geschäftslokalen für Rollstuhlfahrer. Das heißt aber weder, dass dieses Ziel falsch ist, noch dass wir es bereits aufgegeben haben. Es zeigt aber, dass man so hehre Ziele nie vollständig "erreicht", schon gar nicht über Nacht, sondern sich ihnen nur annähern kann. In Trippelschritten, oft mit Umwegen, mit Kompromissen, Not- und Zwischenlösungen. Politik ist eben laut Max Weber das Bohren dicker Bretter. Politik bedeutet hingegen nicht, wie eine Teleshopping-Verkäuferin "Wir schaffen das!" zu flöten, wenn man weder genug Bretter noch genug Bohrer dafür hat.
Auch das Asylrecht muss man so sehen: als grundsätzlich erstrebenswertes Ziel, als Leuchtturm, der den richtigen Weg weist. Aber auf der Reise dahin muss man auf die Umstände und Rahmenbedingungen achten, und darf die Menschen nicht überfordern. Ein Hilfsbereiter, der sich einen Bruch hebt oder einen Burnout erleidet, kann auf lange Sicht weniger leisten als jemand, der sich seine Kräfte von vornherein vernünftig einteilt. Die "Gutmenschen" (kategorischer Pejorativ?) können in ihrer Naivität, ihrer Hysterie und ihrem Dogmatismus unsäglich nerven. Aber wenn man ihre Energien mit ein wenig Realitäts- und Machbarkeitssinn bündelt und kanalisiert, kann aus guten Absichten vielleicht tatsächlich etwas Gutes werden - anstatt reines Chaos. Gauck: "Gerade weil wir möglichst vielen Schutz bieten wollen, werden wir – so problematisch, ja, tragisch es sein kann – nicht alle aufnehmen können."
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